KINDER, SCHULE UND KRIEG

Schulfoto von Kindern mit ihrer Lehrerin. Sie werden immer noch jedes Jahr aufgenommen, und die Zeit des Zweiten Weltkriegs war keine Ausnahme. Dieses Bild ist jedoch etwas Besonderes. Es wurde am 2. Juni 1942 in Lidice aufgenommen. Eine Woche später kam das Grauen. Von den Kindern aus Lidice, die auf diesem Foto zu sehen sind, kehrten nur drei nach Hause zurück.

In den frühen Morgenstunden des 15. März 1939
überquerten die Truppen der Wehrmacht die
tschechoslowakische Grenze und begannen mit der
Besetzung von Böhmen und Mähren. An den
Straßenecken erschienen die folgenden, von
Infanteriegeneral Johannes Blaskowitz unterzeichneten
Plakate.

Am Freitag, dem 1. September 1939, brach mit dem Angriff Nazi-Deutschlands auf Polen der Zweite Weltkrieg aus. Zu diesem Zeitpunkt hatte die tschechische Gesellschaft jedoch bereits ihre eigenen Erfahrungen mit dem nationalsozialistischen Expansionismus gemacht. Ein Teil der Bevölkerung hatte ihn im Herbst 1938 erlebt, als sie infolge des schicksalhaften Münchner Abkommens die Grenzgebiete der Tschechoslowakei verlassen mussten, während andere ihn nach dem 15. März 1939 kennenlernten, als der Rest des Landes von der deutschen Armee besetzt wurde.
Zu denjenigen, die den Krieg schmerzlich zu spüren bekamen, gehörten nicht nur die Soldaten an den Fronten, sondern auch die Zivilbevölkerung im Hinterland. Nicht zuletzt die Kinder. Die Schule sollte nach dem Willen der Besatzer vor allem ein Instrument zur Germanisierung der tschechischen Jugend werden.

Am Mittwoch, dem 15. März 1939, trafen die Truppen der Wehrmacht auch in der Hauptstadt der Republik ein. Wie sie hier empfangen wurden, zeigt dieses Foto aus dem Zentrum von Prag./h4>

An der Spitze des Protektorats Böhmen und Mähren stand der Reichsprotektor Konstantin von Neurath (hier mit zum Hitlergruß erhobener rechter Hand), der am 5. April 1939 in Prag eintraf. Aus diesem Anlass fand auf dem Wenzelsplatz die folgende feierliche Parade der deutschen Streitkräfte statt.
Darüber hinaus verfolgte das NS-Regime das Ziel, das Bildungsniveau der tschechischsprachigen Bevölkerung zu senken, indem es nach und nach immer mehr tschechische Schulen schloss und die Zahl ihrer Schüler und Studenten begrenzte.

Zu den vorsätzlichen Maßnahmen der Besatzer gegen die tschechische Jugend und die tschechische Nation gehörten die schrittweise Schließung ausgewählter Mittelschulen und die Verringerung der Zahl der Studenten, die dort studieren konnten. Am Freitag, dem 17. November 1939, wurden die tschechischen Universitäten sogar vollständig geschlossen. Angeblich für drei Jahre, in Wirklichkeit aber bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs.

Eine der sichtbarsten Veränderungen im Zusammenhang mit der Ankunft der deutschen Besatzer war die Einführung des Rechtsverkehrs. Bis März 1939 herrschte in der Tschechoslowakei Linksverkehr, wie es beispielsweise auch heute noch in Großbritannien der Fall ist.

Äußerst tragisch verlief das Schicksal jüdischer Kinder, die aufgrund der monströsen „Nürnberger Gesetze“ bereits in den ersten Wochen der Besatzung aufgrund ihrer Herkunft diskriminiert wurden.

Eine Gruppe jüdischer Mitbürger aus Pilsen während des Transports zum Bahnhof, bewacht von Angehörigen der Schutzpolizei. Von hier aus wurden sie in das Ghetto Theresienstadt gebracht. Selbstverständlich begleiteten Kinder unterschiedlichen Alters ihre Eltern.

Das berühmte Foto des Fotografen Jan Lukas vom März 1943 zeigt Vendulka Voglová aus Prag kurz vor ihrem Transport ins Ghetto Theresienstadt. Im Gegensatz zu vielen anderen jüdischen Kindern erlebte sie durch einen glücklichen Zufall das Ende des Krieges.

Sie wurden zunächst von allen deutschen und dann von allen tschechischen Schulen ausgeschlossen, so dass ihnen im Sommer 1942 die Möglichkeit jeglicher Bildung -auch an jüdischen Schulen- völlig verwehrt blieb. Diese wurden nämlich dann per Beschluss der Besatzungsbehörden abgeschafft. Schließlich folgte der Transport ins Ghetto Theresienstadt und dann die Reise nach Auschwitz, die für die allermeisten von ihnen die Letzte sein sollte.
Viele Schulfotos, die während der Besatzungszeit aufgenommen wurden, enthalten tragische Geschichten. Das ist auch bei diesem Bild von den Schülern der Schule in Buštěhrad nicht anders. Der Junge, der in der dritten Reihe als erster von links steht, ist Josef Doležal aus Lidice. Am 10. Juni 1942 wurde er zusammen mit seiner Mutter und seiner jüngeren Schwester Maruška in die Schule nach Kladno gebracht. Als die Gefängniswärter erfuhren, dass er bereits 15 Jahre alt war, brachten sie ihn zum Schießplatz in Prag-Kobylisy, wo sie ihn am 16. Juni 1942 erschossen.
Für einige Kinder wurden die Kriegsjahre zu einem Kampf um den Erhalt ihrer Muttersprache, für andere zu einem echten aktiven Widerstand gegen das NS-Regime.

Im gesamten Protektorat entstanden die Leseclubs „Mladý Hlasatele“, die für viele Kinder einen Ersatz für Pfadfindergruppen darstellten, die von den Besatzern im Oktober 1940 verboten wurden.

Auf diesem Bild sind drei Jungen aus Lidice (von links) zu sehen: Václav Horák, Jaroslav Kohlíček und Václav Radosta auf einer ihrer Ausflüge. Am Mittwoch, dem 10. Juni 1942, wurden sie alle im Garten von Horáks Bauernhof erschossen.

Einige der Kinder verloren im Widerstand ihre Eltern und Angehörigen, andere wurden selbst Opfer von Repressalien durch die Besatzer. Oftmals endete ihre kurze Lebensreise am Galgen oder hinter dem Stacheldraht eines der Konzentrationslager, genauso wie es den Kindern aus Lidice und Ležáky ergangen ist.
Wie unterschiedlich die Schicksale der Kinder im Protektorat sein konnten, dokumentiert dieses Foto aus dem Jahr 1941. Der stehende Junge Míla Spal, ein Schüler aus Lidice, wurde im Juli 1942 zusammen mit 81 anderen Kindern aus Lidice in einem Gaswagen in Chelmno ermordet. Sein Cousin Vašík Zelenka (auf einem Schaukelpferd) wurde zur Germanisierung ausgewählt und nach Deutschland gebracht. Glücklicherweise wurde er Anfang Mai 1947 hier gefunden und so zu seiner Mutter Žofia zurückgebracht.
Die Lidice-Kinder waren unter anderem Mitglieder der örtlichen freiwilligen Feuerwehr. Das Bild aus dem Jahr 1941 zeigt die Feuerwehr mit ihrem damaligen Kommandanten Václav Hanf (in der Mitte sitzend). Ein Jahr nach der Aufnahme dieses Fotos war keiner von ihnen mehr am Leben. Václav Hanf wurde zusammen mit Jaroslav Hroník und Josef Pek am 10. Juni 1942 in Lidice erschossen, die übrigen Kinder wurden am 2. Juli 1942 in Chelmno ermordet.

Schule von Lidice

Die Schule von Lidice befand sich in unmittelbarer Nähe der St. Martinskirche auf dem sogenannten oberen Dorfplatz. Sie war die modernste Schule in dem gesamten Gebiet von Buštěhrad und wurde nicht nur von Kindern aus Lidice, sondern auch aus den umliegenden Dörfern, insbesondere aus Hřebec und Makotřas, besucht. Alle, die sich an sie erinnerten, wissen noch die Inschrift über dem Eingang: "Die Schule meines Glücks".
Schule von Lidice
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Von den auf dem Bild festgehaltenen Kindern aus Lidice wird nur eines, Anička Hanfová, 1945 nach Hause zurückkehren. Sie sitzt als Erste von links in der ersten Reihe.

Schüler III. Klassen der Lidicer Schule, fotografiert im Frühjahr 1941, also nur ein Jahr vor der Zerstörung des Dorfes. Auf dem Bild zusammen mit den Kindern der Schulleiter Ladislav Šimandl (rechts stehend) und der beliebte Klassenlehrer Zdeněk Petřík (in der Mitte sitzend).
Abdruck des Stempels der Allgemeinschule in Lidice mit dem offiziell vorgeschriebenen zweisprachigen Namen.
Auch während der Besatzungszeit war das regelmäßige Sammeln von Waldfrüchten, Papier, aber auch Textilien und Schuhen ein fester Bestandteil des Schullebens, wie aus diesem Plakat hervorgeht.

Lidice-Schule im Juni 1942

Wenn irgendwo ein Fotograf auftauchte, erregte er immer die Aufmerksamkeit der Kinder, wie das Posieren einer Gruppe von Jungen auf diesem Bild aus dem Frühjahr 1942 in Lidice beweist. Damals hatten die Jungen, ohne es zu wissen, die letzten Wochen ihres Lebens vor sich.
Das letzte Foto der Oberstufenschüler der Schule vom 2. Juni 1942. Das Foto zeigt noch einmal den Schulleiter Ladislav Šimandl (stehend) und sein Kollege Zdeněk Petřík (in der Mitte sitzend).
Während Šimandl überlebte, weil er einen festen Wohnsitz im nahe gelegenen Buštěhrad hatte, wurde Zdeněk Petřík zusammen mit den anderen Männern am 10. Juni 1942 erschossen. Von den Kindern auf dem Foto wurde nur Anička Hanfová (zweite von rechts in der dritten Reihe) und Maruška Doležalová (letzte Reihe, Dritte von links) nach dem Krieg wiedergefunden. Der Rest der Kinder wurde von den Nazis ermordet.

Das abgebrannte Gebäude der Schule von Lidice und dahinter die durch einen Brand zerstörte Barockkirche St. Martin.

Das von den Nazis begangene Verbrechen in Lidice war Teil der Rache für das Attentat auf Reinhard Heydrich. Am Dienstagabend, dem 9. Juni 1942, wurde Lidice umzingelt. Die Männer wurden zum Horák-Hof gebracht und die Mütter und Kinder zum Schulgebäude, von wo aus sie in die Turnhalle der Schule in Kladno gebracht wurden. Kurz darauf begannen Brandstiftergruppen, Häuser im Dorf in Brand zu setzen. Auch die Lidicer Schule entging dem Feuer nicht.